Das große Unglück auf der Bindweide

Blog Zugriffe: 1578

Vor 150 Jahren - Erinnerung an das große Unglück auf der Grube Bindweide

Vielleicht gibt es Menschen, denen es nicht angemessen erscheint, angesichts des Unheils in unserer Zeit an ein folgenschweres Unglück zu erinnern, das sich vor 150 Jahren hier bei uns ereignete. Am 6. und am 7. März 1872 wurden 14 Bergleute der Grube Bindweide unter Tage, im Herculesstollen, von Schutt, Schlamm und Wasser getötet.

Dieses Unglück hat nicht allein den Familien in unseren Dörfern Väter und Söhne genommen. In Zeiten, in denen es keinen Sozialstaat gab, hatte es zu dem Verlust von Menschenleben direkte soziale Not zur Folge. Darüber hinaus hatte dieses Unglück jedoch auch Konsequenzen für das Bergwerk Bindweide und für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in unserer Region, die man aus unserer heutigen Sicht als historisch betrachten kann.

Wie war es zu diesem Unglück gekommen? In "Glanz aus der Tiefe" beschreibt Hans G. Koch den Hergang auf der Grundlage der Berichterstattung des "Siegener Kreisblatts": Die Bergleute waren am Morgen des 6. März mit "Heranholen" von Gestein beschäftigt, als ein großes Felsstück "eine Stockung" verursachte. Gegen 11 Uhr vormittags versuchten sie das Problem durch eine Sprengung zu lösen. Daraufhin setzten sich Gesteinsmassen, zusammen mit viel Wasser in Bewegung. Bevor die Bergleute sich in Sicherheit bringen konnten, wurden sie von einem plötzlichen "Durchbruch so gewaltiger Massen" überrascht, die 15 Männer unter Gestein und Schlamm verschütteten. Am folgenden Tag konnten "2 Personen todt und 3 lebend" geborgen werden.

Am nächsten Tag setzten sich die schrecklichen Ereignisse fort. Die Rettungsmannschaft wurde unter Tage von einem erneuten "unheilvollen Durchbruch" von Gesteinsmassen und Wasser überrascht, der weiteren 5 Menschen den Tod brachte. Unter den Getöteten war auch der Leiter der Rettungsmannschaft, der Bergmeister des Reviers, Johann Schmidt. Johann Schmidt war außerdem auch der Neffe des Bergwerkbesitzers und Kirchener Unternehmers Theodor Stein.

Es war wohl äußerst schwierig und gefährlich, an die Leichen der verschütteten Bergleute heranzukommen. Erst nach vielen Wochen und einem sehr großen Arbeitsaufwand gelang es, die erforderlichen Maßnahmen Über- und Untertage abzuschließen und die Leichen der Bergleute zu bergen. Aus den Berichten geht hervor, dass eine große, mit Wasser gefüllte Pinge - das ist ein Erdloch, in dem unsere Vorfahren oberirdisch nach Erzen gegraben haben - in den Stollen durchgebrochen war.

Am Ende war es die aus Sicht der späteren Eigentümer zugespitzte wirtschaftliche Lage in Verbindung mit teilweise schwierigen geologischen Gegebenheiten und insbesondere das riesige Problem der zu bewältigenden Wassermengen, die schließlich am 30. September 1931 zur Stillegung der Grube Bindweide führten.

Dazwischen liegen fast 60 Jahre, in denen die Grube Bindweide viele Höhen und Tiefen, aber auf jeden Fall eine stürmische Entwicklung erlebte. Denn Theodor Stein, der mittlerweile zu einem großen Bergwerksunternehmer in unserer Region geworden war, verkaufte nach dem Unglück alles an “die Firma” von Alfred Krupp - einem Essener Stahl- und Bergwerksunternehmer, der in der Industriealisierung im 19. Jahrhundert durch Geschäfte mit Eisenbahnen und Waffenkäufern reich geworden war.

So könnte man sich in Erinnerung an dieses Unglück fragen, wie es aktuell um unsere Region bestellt wäre, wenn die Bindweide verschont geblieben und Theodor Stein statt Friedrich Krupp Eigentümer des Bergwerks geblieben wäre.

 

Drucken